Unser Angebot    Tipps für Wanderer    WeitWanderWege    Aktuelles    Jahresplan    Unser Tourenbuch    Über uns    Links

Wandern im Hungerbrunnental

(veröffentlicht in "Langenau aktuell" am 12.9.2002)

Das Hungerbrunnental, ruhig und malerisch gelegen, war schon immer einen Ausflug wert. In diesem Jahr bietet sich diese Halbtagestour aber um so mehr an, da sie einige kuriose Besonderheiten zu bieten hat. Welcher kleine Bach hat denn schon an der Quelle mehr Wasser zu bieten als im Mündungsbereich? Und welcher Bach darf sich sein Bett selber suchen und über Feldwege fließen, so als bräuchte er auf nichts Rücksicht zu nehmen? Oder wurde das sonst trockene Bachbett als Weg benutzt?

Wie die Lone, die Nau oder die Hürbe beginnt der Hungerbrunnen als Karstquelle. Doch im Gegensatz zu den anderen Bächen, die heute praktisch immer Wasser führen, schüttet der Hungerbrunnen nur in besonders feuchten Jahren Wasser. Wegen dieses Naturphänomens war sein Quelltopf zwischen Altheim und Heuchlingen schon immer ein Kultplatz. Sein Wasser hat in der Geschichte auf besonders feuchte Jahre hingewiesen, die Missernten zur Folge hatten. Mit Hungersnöten zogen oft Krankheiten und Kriege übers Land. So wurde die Wasserführung des Hungerbrunnens in der Vergangenheit oft als Menetekel für drohende schlechte Zeiten angesehen.

Wenn man bei der Wanderung zwischen der ehemaligen Bundesstraße 19 und der Setzinger Kläranlage beginnt, stößt man auf die Mündung des Hungerbrunnens in die Lone und ist erstaunt: kein Wasser. Trockenen Fußes kann man noch durch die „Röhre“ unter der Straße dem Bachlauf folgen. Doch schon hundert Meter weiter sieht man trotz des üppigen Uferbewuchses ein schmales Rinnsal. Hier versickert das Wasser in den Klüften des Kalksteins. Doch nur ganz selten führt der Hungerbrunnen auf solch einer langen Strecke Wasser. An der Ufervegetation lässt sich ebenfalls die Wasserführung erkennen. Beginnt die Wanderung zunächst eher mit die Trockenheit bevorzugenden Pflanzen, wechselt das Bild recht schnell zu Rohrglanzgras und anderen Feuchtpflanzen.

Bald schon fließt das Wasser reichlich, das man trotz der schönen, naturnahen Uferbepflanzung den Bach deutlich erkennt. Noch auf der Gemarkung Setzingen wird die Talaue auf beiden Seiten von Wald begrenzt und der Hungerbrunnen sucht sich seinen Weg, in dem er mal über, manches Mal sogar auf dem Feldweg verläuft. Wer dem Bach folgt geht am Ufer entlang um keine nassen Füße zu bekommen. Jäh wird die Idylle von Lärm gestört. Nach einer Bachkehre sieht man den Verursacher. Die mächtige Autobahnbrücke quert das Tal. Dort angekommen sieht man wie der Hungerbrunnen von Autobahnabwasser gespeist wird. Der marode Zustand der Brücke, abgebröckelter Beton und freiliegende Stahlteile und eine wilde Mülldeponie verstärken den negativen Eindruck an dieser Stelle noch mehr. Rasch weiter auf Hausener Gemarkung. Auch hier merkt man, dass der Hungerbrunnen ungewöhnlich viel Wasser führt. Breit bahnt er sich an manchen Stellen seinen Weg, dort wo er sein Bett verlassen hat. Dann stößt der Wanderer auf einen Weg, wo der Hungerbrunnen das Weitergehen ohne nasse Füße zu bekommen, verhindert. Doch versteckt im Gebüsch hilft ein alter Steg weiter, und die Schuhe bleiben trocken. Weiter geht die Wanderung bachaufwärts am Waldrand entlang. An der Grenze zur Gemarkung Heuchlingen verschwindet der Hungerbrunnen im Wald. Die Mitglieder des Schwäbischen Albvereins Dettingen haben dort einen schmalen Pfad angelegt, so dass es dem Wanderer möglich ist, entlang des idyllischen Waldbaches zu gehen. Doch danach ist es mit der Bachherrlichkeit vorbei. Bis zur Quelle ist der restliche Verlauf kanalisiert und von Ufervegetation keine Spur mehr. Der Bach wird zwar jetzt von lichten Kiefernwäldern und der Wachholderheide begleitet, doch der Bachverlauf selbst ist ziemlich trostlos. Vor dem Wanderparkplatz an der Straße von Heuchlingen nach Altheim wird der Hungerbrunnen noch einmal von dem Zufluss einer Kläranlage gespeist. Bald darauf ist der Quelltopf erreicht, der uns für die letzten Kilometer entschädigt. Es perlt und sprudelt in der Karstquellle, einem sehenswerten Naturdenkmal, das unter Naturschutz steht. Es verwundert deshalb nicht, dass der Hungerbrunnen als germanischer Thingplatz und als Freistätte die Menschen schon immer angezogen hat. Von dieser Tradition her rührt noch der alljährlich am Palmsonntag stattfindende Brezgenmarkt, der auf eine lange Geschichte zurückblicken kann.

Text: Günther Krämer, Thomas Mahr

Bilder