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Gut behütet (aus: der Weitwanderer IV/96)

Graumelierter Tirolerhut - das ist doch die typische Wanderer-Kopfbedeckung, oder nicht? Wenn dann noch das rotkarierte Hemd und die Bundhose vorhanden sind und das feste Schuhwerk, dann ist man gegen alle Unbill des Wetters geschützt. Aber nicht vor dem Vorurteil, dass Wanderer diese Uniform tragen müssen und deshalb alle Wanderer gleich besch... aussehen und daher auch erzkonservativ sein müssen.

Warum nicht eine modische Baseballmütze? Sie schützt bei Sonnenschein mit ihrem weit ausladenden Schild die Augen, muss aber zum Fotografieren umgedreht werden (Schild nach hinten, was gleichzeitig bei Rückensonne vor Nacken-Sonnenbrand schützt!). Sie wärmt den Kopf, hält die Frisur gut in Form, lange Haare lassen sich hinten durchstecken, das Regenwasser fließt gut ab (hinab zwischen Hals und Kragen). Leider lässt der Sonnenschutz für die Ohrläppchen wie bei allen Schildmützen sehr zu wünschen übrig. Sonnenbrand kann im Sommerhalbjahr garantiert werden.

Ich brauche doch überhaupt keine Kopfbedeckung! Das bisschen Sonnenschein in Europa, das hält mein Kopf leicht aus - bis auf die Geheimratsecken, die sich leicht karmin- bis rubinrot verfärben und kurz darauf sehr verwittert aussehen, wie ein altes Haus, von dem der Putz bröckelt. Macht ja nichts, und wenn's stürmt, regnet oder schneit oder einfach nur saukalt ist, dann hat ja jede richtige Wanderer-Oberbekleidung eine Kapuze. Man sollte damit aber nicht auf befahrenen Straßen wandern - man erschrickt so leicht, wenn plötzlich schnelle Motorfahrzeuge an einem vorbeihuschen, die man nicht gehört hat. Kapuzen eignen sich  in erster Linie für Solo-Wanderer, da Unterhaltungen nur sehr laut geführt werden können und sehr umständlich sind. "Was hast du gesagt? ..."

Gegen Kälte sind Pudelmützen hervorragend, man hört damit besser als mit Daunenkapuzen. Bei Nässe aber werden sie schwerer und schwerer und rutschen unaufhaltsam abwärts. Man müsste die Augenwülste eines Neandertalers haben! Ein Nachteil bleibt aber auch dann: Eine Wollpudelmütze verbiegt immer die Frisur, egal welche.

Der deutsche Durchschnittstourist schwört heute meist auf den Baumwollstoffhut Made in China. Er hat eine Reißverschlußtasche an der Seite für den Notgroschen, er ist leicht, nimmt Zerknüllen und Falten nicht übel, ist waschbar, sehr billig, hat einen - wenn auch kleinen- Rand, der vor Sonne schützt. Also die ideale Kopfbedeckung! Aber meine Wanderfreundin sagt, so läufst du mir nicht herum, da kannst du alleine wandern!

Also, was tun?

Ich hab da so einen Ratgeber: Taschenbuch für angehende Fußreisende, eine der deutschen Jugend gewidmete Frühlingsgabe, Friedrich Frommann, Jena 1843. Auf den Seiten 13 und 14 steht da Die zweckmäßigste Kopfbedeckung ist eine niedrige und leichte Tuchmütze. Hüte sind im Winde unbequem und weil man sie nicht auf dem Kopfe behalten, wenn man sich im Freien hinstreckt. Aber die Mütze muß einen großen Schirm haben, um die Augen gegen Sonne, Regen und Wind zu schützen und fest auf den Kopf gedrückt, noch besser durch ein Sturmband befestigt werden können, nicht bloß den Scheitel dürftig bedecken und mit dem platt anliegenden Schirme kaum die Augenbrauen erreichen ...

Wer kann mir die Bezugsquelle für diese ideale Kopfbedeckung verraten. Weder Herrenausstatter noch Wanderer-Ausrüster konnten mir weiterhelfen.  Aber verdammt nochmal, warum sind in dieser hervorragenden Anleitung für Wanderer nur Wanderer mit Hut abgebildet? War diese Tuchmütze schon vor 150 Jahren out? Oder ist's vielleicht doch der Hut? Und welcher? Es gibt ja nicht nur den Luis-Trenker-Hut!             

Grundsätzlich bietet ein Hut fast nur Vorteile. Der breite Rand schützt vor der Sonne und lässt den Regen weitab von Hals und Kragen abtropfen, über den Haaren ist ein Luftraum, die Frisur bleibt einigermaßen intakt, man hört Autos und die Wanderfreundin nebenan, kalte Ohren lassen sich durch Kombination mit Ohrenschützern vermeiden und gegen den Wind hilft ein Band unterm Kinn.

Aber welche Hutvielfalt! Da hilft nur testen, testen, testen. Darüber bin ich zum Hut-Fan geworden!

Den allerbesten Schutz gegen Regen bietet ein breitkrempiger Schäferhut, wie ihn die Wanderschäfer auf der Schwäbischen Alb tragen. Sonnen- und Regenschutz sind gleichermaßen gewährleistet, aber Stabilität und schwarze Farbe können im Hochsommer die Benützung verleiden. Außerdem kommt es immer wieder vor, dass man mit geistlichen Titeln angeredet wird, z.B. Herr Pastor , Padre, Monsignore oder schlimmstenfalls Don Camillo.

Eine österreichische Hutfirma hat den Reisehut kreiert, einen richtigen Rucksackhut. Er darf zerknüllt, zusammengerollt oder -gefaltet in den Rucksack gesteckt werden - nach kurzer Erholungszeit ist er wieder tadellos in Form. Leider macht er im Sommer etwas warm, und Regenwasser saugt er begierig auf, er wird dabei schwerer und schwerer, irgendwann senkt sich die Krempe und engt den Blickwinkel ein. Schade, dieser Hut trägt sich ansonsten sehr angenehm.

Vielleicht bringt's jene Nobelfirma im italienischen Alessandria, deren Produkte vor allem durch Humphrey Bogart weltweit bekannt wurden. Wohl etwas teuer, aber so ein Borsalino sieht auch im Alter, mit einer gewissen Patina und leicht zerdrückt, gut aus - wenn auch zum Wandern etwas zu vornehm. Er trägt sich sehr angenehm, ist leicht, hält was aus, und – was beinah am wichtigsten ist - er hat, fein am Hutband versteckt - einen Gummizug, er bei Sturm unters Kinn gezogen werden kann und so bei solch widrigem Wetter dem Träger den Hut erhält.

Bei jüngeren Wanderern und Globetrottern sind derzeit südamerikanische Indiohüte sehr beliebt: klassische Form, buntes gewobenes Folklore-Hutband, stabiler Filz, viele Farbtöne, geringes Gewicht, gute Paßform machen den hauptsächlich im ecuadorianischen Otavalo produzierten Hut zu einem Schmuck- und Gebrauchsstück, das beinah unverwüstlich ist. Leider sind Bezugsquellen in Deutschland etwas dünn gesät. Und extra deswegen nach Südamerika fliegen?

Vielleicht lohnt sich der Flug aber doch, denn immer noch fehlt der Hut für sommerliche Wanderungen in den trockenen Subtropen, z.B. in Italien, Spanien oder Griechenland. Bietet sich hier nicht ein Panamahut an, den es natürlich in größter Auswahl ebenfalls nur in Mittel- und Südamerika gibt? Kein Hut ist leichter als dieses Kunstwerk aus Palmblattgeflecht. Aber o Schreck: In dieser Holzschachtel soll ein Hut drin sein. Schnell ausgepackt. Aus diesem Bündel wird nie und nimmer ein Strohhut! Also auf zur Hutmacherin! Die freut sich sehr über die Aufgabe. Endlich mal ein richtiger Hut mit Stil! Und tatsächlich formt sie innerhalb eines Tages aus dem Palmblattgeflechtbündel einen edlen Strohhut. Die Form soll er sogar auch bei etwas grober Behandlung beibehalten!? Den Gebrauchstest mach ich doch gleich bei der nächsten Wandertour in Mittelitalien. Aber da will Petrus nicht mitmachen. Es regnet in Strömen!

Wohin mit dem guten Stück fürs Schönwetter. Ich getrau' mich nicht, ihn einfach zusammenzurollen und in den Rucksack zu stecken, ich lass ihn lieber auf dem Kopf, dann prasselt mir auch der Regen nicht so auf die Platte. Der Hut macht das anfangs ganz gut mit. Irgendwann drückt es mir die Ohren nach unten, das Blickfeld wird enger, die Hutkrempe senkt sich nach unten, das Ding gerät außer Form. Sch...! Im Quartier versuche ich, durch Unterlegen von Brillenetui, Waschbeutel und anderen Utensilien während des Trocknungsvorgangs zu retten, was zu retten ist. Und tatsächlich, am nächsten Tag sieht der Hut wieder einigermaßen nach Hut aus, wenn auch leicht verbeult und mit etwas asymmetrischem Rand. Bei den folgenden Schönstwettertagen bewährt er sich endgültig.

Das ist nun der Stand der Dinge! Womit bedecke ich nun in Zukunft mein edles Haupt?

Schaue ich in die Kataloge der Ausrüster, finde ich fast nur moderne Varianten der von mir getesteten Kopfbedeckungen, in ausgefallenen Formen und Farben, aus neu entwickelten Kunststoffen. Da bleibe ich doch lieber bei meinen Klassikern!

Aber eine Erkenntnis habe ich gewonnen: Es gibt wohl einen Mann oder einen Colt für alle Fälle, aber nicht den Hut für alle Fälle. Und andere Kopfbedeckungen schon gar nicht.

Also fälle ich auch in Zukunft ad-hoc-Hut-Entscheidungen und bete um eine glückliche Hand dabei.

Günther Krämer