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Von Mäander zu Mäander

Die Roth - ein kleiner, aber abwechslungsreicher Fluß

Text: Thomas Mahr und Günther Krämer         Bilder: Günther Krämer

Die Reize und die Schönheit der bayerischen Roth scheinen bisher noch unentdeckt geblieben zu sein. Die Anwohner im Mündungsbereich wissen kaum, wo der Fluß entspringt, und im Quellbereich kennt keiner den Ort der Mündung. In zwei bis drei Tagen Fußwanderung kann man soviel unterschiedliche Flußlandschaften, Wälder und Moore, aber auch intensiv genutzte Agrarlandschaften sehen.Die Gemeinden gehen sehr unterschiedlich mit diesem Gewässer um.

Wer sich auf die Suche nach der Quelle der Roth macht, wird nicht ohne eine topographische Karte auskommen. Nach einstündigem Fußmarsch von Memmingen in Richtung Nordosten befindet sie sich in 670 m Höhe in den Schottern der Donau-Eiszeit nördlich von Eisenburg. Doch welcher der dortigen Wassergräben ist wirklich als Beginn der Roth zu bezeichnen?

 Waldromantik

 Im Winter ist es sehr schwierig, in den Schneewehen dem Lauf zu folgen. Aber auch ohne Schnee ist der erste Flusskilometer durch eine Fichtenschonung nur etwas für hartnäckige Flusswanderer. Ein ganz naturbelassener, glasklarer Bach zeigt uns, man muss nicht bis nach Kanada, um urtümliche Landschaften zu erleben. Was vor einem Jahr bei der Winterwanderung noch möglich war - ein unbeschwerter Weg durch den Wald - verhinderte diesmal beinahe ein Windbruch von "Lothar". Als wir nach einem Umweg das Ufer wieder erreichen, befinden wir uns in einem Zauberwald. Fluss-Mäander wie man sie nur aus dem Lehrbuch kennt. Tief eingeschnitten und die Ufer von Moos überwachsen wechselt Laub- mit Nadelwald.

War es bei der Winterwanderung noch der eisige Wind, der uns aus unseren Bachträumen riss, wo die Roth den Wald verlässt, so ist es diesmal die eintönige Agrarsteppe. Aus dem natürlichen Gewässer wird ein wie mit dem Lineal gezogener Graben. Gleichzeitig nimmt auch die Wasserqualität rapide ab.

In einer kaum noch als Flusstal erkennbaren Ebene fließt die Roth geradewegs nach Niederrieden. Die dortige Brauerei hat am Sonntag leider geschlossen, eine Brauereigaststätte gibt es schon lange nicht mehr.

So geht es weiter in Richtung Boos, geradlinig kanalisiert durch eine flurbereinigte Landschaft. Zum Teil wird leider bis zum Ufer gepflügt, gedüngt und gespritzt. Von Gewässerrandstreifen keine Spur. Zu allem Überfluss begleiten uns jetzt Klopapierfetzen aus dem Booser Regenüberlauf.

 Im Ried

 Strapazen und  Frust sind bald vergessen, denn wir kommen ins Obere Ried bei Winterrieden: Dort sehen wir die ersten Nagespuren des Bibers. Weiden begleiten den Fluss, das Wasser steht, überall angenagte oder gefällte Bäume, Reisighaufen, eine amphibische Landschaft und zum Schluss endlich der Biberdamm.

Ein Wermutstropfen für den Naturfreund sind die frisch ausgefrästen Entwässerungsgräben, die in kurzen Abständen rechtwinklig auf die Roth treffen.

Nachdem wir die stillgelegte Bahnlinie von Babenhausen nach Memmingen überquert haben, erreichen wir bald ein Reststück Niedermoor, das nicht landwirtschaftlich genutzt wird. Am Ende der langen ersten Tagesetappe sehen wir endlich durch eine Talverengung  den Kirchturm von Oberroth.

 Uriges beim Bier

 Gottseidank hat die Brauereigaststätte Reitinger Fremdenzimmer, die einzigen im weiten Umkreis. Bei hauseigenem dunklen Bier und einer zünftigen Mahlzeit wird der Tag rekapituliert. Doch so müde sind wir noch nicht, um uns nicht an dem originellen Stammtischdiskurs zu beteiligen.

Frisch gestärkt geht es am nächsten Morgen Richtung Unterroth. Dort angelangt bietet sich uns eine Überraschung. Am Mühlbach entlang gehen wir zum Ortsrand und erwarten laut Karte einen Fischteich, der sich als himmelblau eingemauertes Schwimmbad erweist, das in die Jahre gekommen ist. Im Winter wird es zum Schlittschuhlaufen genützt.

Bei der Sägemühle treffen wir auf ein Unterrother Original, das uns von den Störchen erzählt, die der ganze Stolz der Dorfbewohner sind. Am Ortsende bietet ein Stadel Museales: Ringsherum stehen viele alte Landmaschinen, die etwas von der Geschichte der Technisierung der Landwirtschaft erzählen.

Seit Oberroth ist es uns schon aufgefallen, daß die Zahl der Vogelarten zugenommen hat. Die Roth fließt nun nicht mehr durch die Gemeinden, nur Mühlen und Aussiedlerhöfe wechseln sich ab. Zwischen Unterroth und Buch teilt sie sich. Wir entscheiden uns für den großen Flusslauf. Hier sei der Wanderer gewarnt: An der Lehenmühle zwingen uns freilaufende, scharfe Hunde auf das andere Roth-Ufer.

Danach kommt die malerische Hetzenmühle am Ortsrand von Obenhausen. Die alte Müllerin ist eine wahre Fundgrube für volkskundlich Interessierte. Sie erzählt uns die ganze Geschichte von dem Anwesen, dem Dorf und dem Grafen mit seinem Schloss.

Wo sich die kleine Roth wieder dem Flusslauf annähert, sehen wir plötzlich wieder Biberspuren. Hier entdecken wir sogar ein kleines Maisfeld, das extra von Naturschützern für den Biber als Nahrungsgrundlage angelegt wurde. Wir entdecken viele Biberwege, Landeplätze und gefällte Bäume, aber leider keine Biberburg.

 Eine Stadt und ihr Fluss

 In Grafertshofen fällt ein schön restauriertes altes Wasserwerk ins Auge. Wieder gewarnt von kläffenden Hunden können wir das nächste "Freilichtmuseum" nicht richtig würdigen. Ein wahrer Schilderwald von "Coca-Cola" bis "Metz - Paris" umwuchert baufällige Baracken und Wohnwagen kurz vor Weißenhorn.

Diese Stadt beweist uns dann ihr gutes Verhältnis zu ihrer Roth. Fast überall begehbar, mit alten restaurierten Gebäuden, z.B. die Obere Mühle und die über den Bach gebaute Stadt- und TSV-Halle mit ihrem bemerkenswert gut erhaltenen Jugendstil-Interieur und die Parkanlagen machen den Tagesabschluss zum Vergnügen. Ohnehin ist die alte Fuggerstadt ein eindrucksvolles Zeugnis mittelalterlicher Stadtbaukunst und einen Tagesausflug wert.

Mit seinen alten Gasthäusern und einem kulinarischen Höhepunkt im "Löwen" fällt es uns leicht, den Tag hier zu beschließen.

Weißenhorn verabschiedet uns am nächsten Tag mit einer Reihe von Häusern, von denen jedes eine eigene kleine Brücke zum Krautgarten jenseits der Roth besitzt.

Nun ist die Landkarte wieder nötig. Die Gräben und Mühlbäche sind mittlerweile so breit, dass man sie nicht mehr überspringen kann. Also gilt es immer nach Brücken zu suchen oder sich gleich für eine grabenfreie Flussseite zu entscheiden. An diesem herrlichen Tag müssen wir auch auf reichhaltige Fauna nicht verzichten. Vom kleinen Zaunkönig bis zum Graureiher gibt es in den bachbegleitenden Büschen jede Menge Vögel zu beobachten.

 Kontraste in Pfaffenhofen

 Die Teilorte von Pfaffenhofen machen das Flusswandern zum Abenteuer. Durch Vorgärten und ein kleines Fabrikgelände geht es rothabwärts, und wieder machen wir eine negative Erfahrung mit einem freilaufenden Schäferhund und seinem Besitzer, der uns missbilligend zur Rede stellt. Dafür entschädigt uns der malerische Kern Pfaffenhofens mit seinen Kontrasten. Deutlicher als an den Gebäuden der Bäckerei Stetter kann sich der Wandel der Zeit gar nicht zeigen. Rechts ein Haus, das reizvoll noch den ehemaligen Charakter eines kleinen Ladens aufweist und gegenüber ein modernes Ladengeschäft mit chromglänzenden Schloten, dessen süße Stückchen wir uns nicht entgehen lassen.

In Roth, das seinen Namen vom Fluss bekommen hat, sehen wir eine romantische Mühle mit einem richtigen Mühlenstausee. Als der Flusslauf wieder durch private Gärten seinen Lauf nimmt, kommen wir mit einem Anwohner ins Gespräch, der seine Roth kennt und uns den Weg weist.

Wer mehr Zeit mitbringt, sollte in Remmeltshofen unbedingt bei der malerischen Kirche verweilen.

Dann überrascht uns eine Mühle, die eine Doppelfunktion innehat. Erwarten wir zunächst wegen der vielen Bretter nur eine Sägemühle, sehen wir dann, dass dort auch  Getreide gemahlen wird.

Während die Roth bis hierher in einer weiten ebenen Talaue geflossen ist, nähert sich der Fluss jetzt einem Steilhang, einer rißeiszeitlichen Hochterrasse, von der man einen guten Überblick über die Tallandschaft mit viel Grünland hat.

 Gastfreundliches Straß

 Das endet jäh am Ortsanfang von Straß. Bauschutt und Müll bilden das Ufer der Roth. Ein Verbotsschild, überall Zäune bis zum Wasser und geschützte Privatfestungen machen das Weiterkommen schier unmöglich. Zu guter Letzt treffen wir auf eine Frau, die uns unter Androhung von Prügel von ihrem Grundstück weist.

Nach dem letzten Straßer Betongraben treffen wir wieder auf eine naturnahe Moorlandschaft, die abrupt bei einer Hochterrasse mit eine Großsägerei endet, zwischen deren Bretterstapeln wir unvermittelt stehen.

In Oberfahlheim überqueren wir die B10 und stoßen wieder auf die jetzt breit und träge dahinfließende Roth. Während am Anfang unserer Wanderung auf dem Bahndamm bei Winterrieden sogar die Gleise fehlten, ist es hier an der Strecke Stuttgart - München äußerst gefährlich, den Bahndamm zu übersteigen.

 Und noch einmal der Biber

 Wir betreten Donaugebiet. Genauso macht dies die Roth, die sich jetzt einen alten Donauarm als Flussbett  ausgesucht hat. Uralte Weiden säumen das Ufer, Schneeglöckchen blühen in ihrem natürlichen Lebensraum. Die Roth mäandriert wie zu Beginn ihres Laufs. Der mitwandernde Naturschützer  ist völlig in seinem Element, als er wieder Biberspuren im naturgeschützten Auwald findet. Bald sehen wir das Schild 0,5 km, und schon mündet die Roth ganz unspektakulär bei Flusskilometer 2571,5 in die Donau.

 Informationen für den Wanderer

 Wer sich auf das Wagnis der 65 km langen Rothwanderung einläßt, wird ein abwechslungsreiches Gewässer kennenlernen. Intakte Flusslandschaften wechseln ständig mit ökologischen Sünden. Fast zwangsläufig unterscheidet sich deshalb ihre Gewässergüte nicht von der anderer vergleichbarer Flüsse. Allerdings stimmt das Vorkommen des Bibers an drei Stellen entlang der Roth optimistisch. Wo bachbegleitende Weichholzbestände zu finden sind und eine Pufferzone zur intensiven Agrarlandschaft besteht, hat die Tierwelt eine Chance. Dort sind wir nicht nur dem Graureiher auf der Wanderung des öfteren begegnet.

Der Name Roth lässt sich unterschiedlich erklären: Rodung, Farbe (wovon?) oder etwas Geheimnisvolles, Unheimliches. Die Besiedlung lässt sich aufgrund der Ortsnamen auf die fränkisch-alemannische Zeit zurückverfolgen. Natürlich besitzen nicht alle Siedlungen entlang der Roth eine so schöne Altstadt wie Weißenhorn. Aber es gibt zum Beispiel in Unterroth soviel historische, schützenswerte Bausubstanz, die es zu erhalten gilt.

Die vielen Mühlen, wir haben 21 Mühlenstandorte gezählt, die leider heute fast alle stillgelegt sind, bilden eigentlich ein großes Potenzial zur Stromerzeugung. Was jahrhundertelang lebensnotwendig war, scheint heute leider bedeutungslos geworden zu sein. Energie wird nur noch wenig aus der Roth genommen.

Aber als Abwasservorfluter wird sie ausgiebig genutzt. Der Regionalverband Donau-Iller spricht es in seinem Regionalplan deutlich aus, dass durch den Ausbau der Kläranlagen die Verbesserung der Regenwasserbehandlung die Gewässerqualität der Roth verbessert werden soll. Unverständlich die großen Mengen Klopapier und Fäkalien, die über die Regenüberläufe an mehreren Stellen ungeklärt in den Fluss geleitet werden.

Auch die intensive Landwirtschaft bis hin zum Ufer und die vielen Entwässerungsgräben tun ein Übriges, der Wasserqualität zu schaden. Nicht nur die Bauern pflügen bis zum Ufer, auch Vorgärten, Hühner- und Schafställe sowie Gewerbeanlagen bilden für den Normalwanderer unüberwindbare Hindernisse. Deshalb empfehlen wir auch, diese Wanderung nur im zeitigen Frühjahr oder im Spätherbst zu unternehmen. Im Sommer stellen die vielen Brennnesseln ein zusätzliches Hindernis dar.

Wer zu Fuß geht, sieht einfach mehr. Aber ein besonderes Wandern und Erfassen von Heimat ist es, dem Lauf eines Flusses zu folgen, auch wenn dies mehr Zeit in Anspruch nimmt.

 Praktische Hinweise

 Es ist ratsam, die genauesten Karten zu verwenden, auf denen jeder größere Wassergraben und jeder Fußpfad verzeichnet ist, nämlich die amtliche topographische Karte im Maßstab 1 : 25 000. Folgende Blätter sind erforderlich:

7927 Amendingen, 7827 Babenhausen, 7726 Illertissen, 7727 Buch, 7626 Ulm Südost (Neu-Ulm), 7526 Ulm Nordost.

Nur zur Grobplanung geeignet sind die beiden Wanderkarten 1 : 50 000 des Landesvermessungsamtes Baden-Württemberg

Blätter 21 (Biberach - Ochsenhausen) und 19 (Ulm - Blaubeuren).

Die Karten sollte man sich rechtzeitig beim örtlichen Buchhandel besorgen. Meist hat er nicht alle Blätter vorrätig.

Die Anfahrt erfolgt mit der Bahn bis Memmingen. Zu Fuß gelangt man unter der Bahn hindurch, am Friedhof vorbei, über Grünenfurt in den Wald nordnordwestlich von Eisenburg, wo sich die Rothquelle befindet. An Werktagen kann man vom Omnibusbahnhof Memmingen einmal am Vormittag mit dem Bus nach Eisenburg gelangen. Die aktuellen Abfahrtszeiten können unter der Tel. Nr. 08282/81830 erfragt werden.

Von Unterfahlheim fahren häufig Busse Richtung Neu-Ulm. Die Abfahrtszeiten erfährt man unter der Tel.Nr. 0731/9625252 oder man blättert einfach im aktuellen DING-Fahrplan (Buslinie 9004).

 Übernachtungsmöglichkeiten gibt es nur wenige: In Oberroth bietet der Brauereigasthof Reitinger neben zünftigem Essen und gutem Bier (das Dunkle ist sehr zu empfehlen) eine gute, preisgünstige Unterkunft (Tel. 08333/1213). Auswahl gibt es in Weißenhorn, z.B. im historischen Brauereigasthof zum Hasen in der Hauptstraße 13 (Tel. 07309/2412) oder im Hotel-Restaurant zum Löwen in der Martin-Kuen-Straße 5, wo man außerdem den Gaumen exklusiv verwöhnen kann (Tel. 07309/96500). Zur Schlusseinkehr bietet sich an der Bushaltestelle an der B10 in Unterfahlheim die Gaststätte St.Martin an (Tel. 07308/2837).

Für unterwegs sollte man ausreichend Verpflegung einpacken, da vor allem am ersten Tag keine  Einkehrmöglichkeiten bestehen.

 Am ersten Tag müssen 25 km zurückgelegt werden, was bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 3,5  km/h (so langsam kommt man am Bach entlang vorwärts!) einer reinen Wanderzeit von rund 7 Stunden entspricht. Die beiden folgenden Etappen sind etwas kürzer, 18 km / 5 Stunden bzw. 22 km / 6 Stunden.

(veröffentlicht in der Neu-Ulmer Zeitung und in der Illertisser Zeitung)