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Via Engiadina – Weitwandern nicht nur für Senioren auf dem schönsten Weitwanderweg Europas

Auch Weitwanderer werden älter: Der Rucksack bringt auf Grund des technischen Fortschritts eher weniger Kilogramm auf die Waage als früher, wiegt auf dem Rücken aber viel mehr als vor Jahren. Fünfhundert Höhenmeter Anstieg strengen an als ob es 1000 gewesen wären, und 20 km fühlen sich an wie 30 ... Ist Weitwandern ein Freizeitspaß nur für jüngere Menschen? Muss man im Alter aufs Fahrrad umsteigen? Wandern ohne Gepäck pauschal buchen?

Nein!!! Einer der schönsten Weitwanderwege Europas lässt sich individuell mit leichtem Tagesrucksack und wenigen Standquartieren unter Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs auch von Senioren genießen. Mitten in Europa, in der Schweiz, existiert ein bis auf wenige kurze Abschnitte einsamer Weitwanderweg mit großartigen Ausblicken, ein fast 180 km langer Traum, wie der italienische Wanderbuchautor Luca Merisio schreibt: Die Via Engiadina im obersten Inntal. Natürlich ist dieser Weg auch für Wanderer mit großem Rucksack und täglichem Quartierwechsel ein ganz besonderer Wandergenuss. Aber eben auch für Senioren. Und falls der Originalweg in zu anstrengende Höhen führt, gibt es tiefer verlaufende, genauso schöne Alternativwege

Start ist in Maloja, unweit der Quelle des Inns, rätoromanisch En. Der Panoramaweg führt fast immer am Sonnenhang, meist 300 bis 500 m über dem Talboden, bis zur österreichischen Grenze beim Reschenpass, genauer gesagt bei Finstermünz. Vom Frühling bis in den Herbst bietet er ein Blumenparadies, von Krokussen und Soldanellen über viele Orchideenarten bis zu den letzten Enzianen. Darunter sind einige Endemiten. Auch im Winter ist die Via Engiadina begehbar, sofern keine Lawinenwarnungen vorliegen. Wegen der Höhenlage spaziert man dann entlang der Oberengadiner Seen von Maloja nach St. Moritz. Ab hier ist Winterwandern auf der Via Engiadina bis Tschlin oder Martina möglich, sofern keine Lawinenwarnungen und die Trasse gespurt ist. Sogar die Rastbänke sind für den Winter mit Schneebesen und Schaufel ausgestattet. Nur im Sommerhalbjahr nutzbar sind dagegen die schönen Rastplätze mit Brunnen, Grill, trocken gelagertem Feuerholz, Tischen, Bänken, gut eingezäunt zum Schutz vor dem Vieh. Die Wegweisung und die Markierung sind perfekt wie überall in der Schweiz. Die Etappen können beliebig eingeteilt werden, denn die Rhätische Bahn oder das Postauto verkehren mindestens stündlich von jedem möglichen Etappenort. Bei Standquartier im Oberengadin sind Bus- und Bahnbenutzung zwischen Maloja und Zernez gratis, ab 2022 soll dies auch im Unterengadin eingeführt werden. Wir haben Ferienwohnungen in Pontresina und Scuol sowie die sehr empfehlenswerten Hotels Crusch Alba in Zernez sowie Steinbock und Engadinerhof in Pontresina als Basislager genutzt.

1. Etappe, 5. August: Maloja – Sils (10 km, 410 Hm)

Petrus meint es nicht gut mit uns, als wir an der Post in Maloja aus dem Bus steigen: Es tröpfelt und riecht nach Schlechtwetter. Hier in über 1800 m Höhe ist es dann auch im Sommer ganz schön kalt. Wir folgen mutig der Via-Engiadina-Wegweisung hinauf zum kleinen Hof Pila. Es regnet immer heftiger, dazu weht ein heftiger Wind. Also verzichten wir auf den Abstecher zum Piz Lunghin, der Dreifach-Wasserscheide zwischen Nordsee, Adria und Schwarzem Meer, und zum Ursprung des Inns im Lunghin-See. Ein bei dem Regenwetter nur eingeschränkt zu genießender Pfad durch blumenreiche Weiden führt uns zur Sommersiedlung Blaunca, die wie alle anderen Sommerdörfer der Bauern aus dem Bergell inzwischen in Ferienwohnungen umgewandelt wurden. Der Regen lässt allmählich nach, als wir auf einem Fahrweg das Dörfchen Grevasalvas erreichen, Drehort von Heidi-Filmen. Wir rasten unter dem Dachüberstand eines Hauses. Endlich hört der Regen auf, die Wolken verziehen sich. Der Silser See leuchtet schon blau herauf, und gegenüber thront der Piz de la Margna. Ohne große Steigungen geht es auf schmalem Pfad durch den lichten Lärchenwald am Hang entlang und schließlich hinunter nach Sils zur Bushaltestelle.

   

2. Etappe, 6. August: Sils – St. Moritz (12 km, 600 Hm)

Schönstes Wanderwetter! Wieder hoch zum Pfad und am Hang entlang. Sils, der Silser See und der Piz de la Margna verschwinden allmählich aus unserem Blickfeld, dafür leuchtet jetzt unten der Silvaplaner See herauf, gegenüber thront der Piz Corvatsch und über der Fuorcla Surlej lugt der Piz Bernina (4049 m hoch) mit seinem Biancograt hervor. Unser Pfad verläuft bald auf der Trasse der alten Römerstraße ins Vallun-Tal, das zum Julierpass hochführt. Nach der Querung der Passstraße beginnt ein wahres Blumenparadies mit einem Artenreichtum, der auch im Alpenraum nicht oft zu finden ist. Im Suvrettatal könnte man durch das illustre Villenviertel nach St. Moritz absteigen, leider auf viel Asphalt und bedrängt von Mountainbike-Abfahrern. Deshalb ist es besser, im Val Suvretta hoch zur Alp Suvretta zu gehen und weiter zur Bergstation der Signalbahn, mit der man die Knie schonend nach St. Moritz-Bad „absteigen“ kann.

3. Etappe, 7. August: St. Moritz – Samedan (13 km, 500 Hm)

Um dem Trubel des Bergbahnpublikums zwischen Signal und Piz Nair zu entgehen, starten wir die Etappe nicht am Endpunkt des Vortags sondern mitten im Stadtzentrum von St. Moritz. Vom Schulplatz gehen wir in die Via Maistra, nach 100 m nach links in die Via Stredas, nach 50 m auf dem Treppenweg nach rechts hoch, und nach Querung der Via Tinus beginnt schon ein blumenreicher Traumpfad durch Wald, Wiesen und Weiden hinauf zur Alp Laret, die wie viele andere Engadiner Alpen von Südtirolern bewirtschaftet wird und eine gute Einkehr bietet. Neue Fahrwege mindern den Genuss zwischen der Alp Laret und der Bergstation der Marguns-Seilbahn von Celerina, dazu kommen Mountainbiker und Trottinett-Piloten, die sich todesmutig ins Tal stürzen. Die Via Engiadina entgeht dem Wahnsinn aber sehr schnell auf ihrem aussichts- und blumenreichsten Abschnitt in rund 2400 m um den Piz Padella. Besonders eindrucksvoll der Blick auf die Gletscher der Berninagruppe. Da der Abstieg nach Samedan lang und steil ist, empfehlen wir, von Marguns zunächst auf dem Fahrweg im Val Saluver abzusteigen und dann am Wegweiser nach links Richtung Samedan und Cristolais auf dem schönen Wanderweg durch die Parklandschaft nach Samedan zu bummeln – und wohlschmeckende Goldröhrlinge für das Abendessen zu sammeln.

    

4. Etappe, 8. August: Samedan – La Punt (10 km, 380 Hm)

Wieder eine Bummeletappe, die zum Pilze sammeln einlädt, vor allem wenn die Sonne so lacht wie heute! Aber Vorsicht, nicht erwischen lassen, denn in Graubünden ist Pilzesammeln in der ersten Monatshälfte nicht erlaubt! Wir spazieren durch den alten Ortskern von Samedan hinauf zur Schule und weiter zum Waldrand, wo wir auf die Via Engiadina treffen. Bei Bever biegen wir in das Val Bever ein, zunächst parallel zur Albula-Bahnlinie, bis unser schattiger Wanderpfad durch den Wald in die Fahrstraße mündet. Hier nach rechts, über die Bahn, dann über den Beverin-Bach, danach nach links auf einen Traumpfad durch eine wunderschöne Landschaft, einen lichten Lärchenwald mit unendlich vielen goldenen Pilzen, die ja mit Vorliebe unter alten Lärchen wachsen. Bald hören wir den Motorradlärm der Albulastraße, verlassen die Via-Engiadina-Markierung nach rechts und gehen auf Waldwegen hinunter zum Etappenziel La Punt.

5. Etappe, 9. August: La Punt – Zuoz (9 km, 380 Hm)

Am rauschenden Albula-Bach entlang steigen wir wieder hinauf zur Via Engiadina und müssen leider einige Meter entlang der Passstraße gehen. Dann geht es wieder in den Lärchen-Märchenwald, der sich bald zur großen Wiesenebene des Plaun Grond öffnet. Ein Abstecher zur Ruine Guardaval eröffnet Ausblicke, wir lassen die Seele in der Blumenwiese baumeln. Nach Überqueren den Es-cha-Baches erreichen wir bequem über das weite Wiesengelände auf einem Schotterweg Zuoz.

6. Etappe, 10. August: Zuoz – Cinuos-chel (11,5 km, 500 Hm)

Vom historischen Ortszentrum von Zuoz, dem Plaz, geht es durch die Straßen Plazzet, Plagnoula und Sumulins zum Ortsende oberhalb des berühmten Lyceum Alpinum. Hier wird die Via Engiadina zum Wiesenweg, der über die Alp Laret - dieser Name ist häufig im Engadin und bezeichnet einen Ort mit Lärchen, der häufigsten Baumart im Tal – und bald auf einem Fahrweg durch den Wald hinunter zur Talstraße führt. Hier gleich wieder nach links durch die kleine Siedlung Chapella. Am Parkplatz vorbei auf dem Fahrweg aufwärts, dann nach rechts durch die Wiesen und am Wegweiser nach rechts abwärts zum Bahnhof Cinuos-chel – Brail.

7. Etappe, 11. August: Cinuos-chel – Zernez (11 km, 180 Hm)

Puristen würden den gestrigen Abstiegsweg wieder zur Via Engiadina hochsteigen. Wir bleiben ein „Stockwerk“ tiefer, folgen dem Wegweiser nach Brail durch die Wiesenlandschaft und erreichen bei Tegia die alte Engadinstraße. Kurz danach passieren wir an der Punt Ota (=Obere Brücke) die historische Grenze zwischen Ober- und Unterengadin (Infotafel). Oberhalb des Kirchleins von Brail gehen wir in den kleinen Ort und treffen am Ortsrand wieder auf die Via-Engiadina-Markierung. Blumenreiche Wiesen, Ausblicke hinunter in den Talkessel von Zernez und zum Schweizerischen Nationalpark am Gegenhang machen den Weg zum Genuss. Ab dem Hof Plazet folgt die Via Engiadina dem alten Talweg gemütlich hinunter nach Zernez. Im Hintergrund beherrscht majestätisch der Piz Linard, mit 3410 m der höchste Gipfel der Silvretta-Gruppe, das Tal.

 

8. Etappe, 15. August: Zernez – Lavin (14 km, 400 Hm)

Am Ortsende, kurz nach dem Hotel Baer-Post, zeigt uns der Wegweiser wo’s langgeht: Nach rechts, zunächst auf Asphalt, dann auf Schotter hinauf zur Maiensäss Clüs, heute als Ferienhäuser genutzt. Am höchsten Punkt zeigt der Wegweiser den Weiterweg etwas ungenau an. Richtig ist, der rot-weißen Markierung auf den schmalem Pfad nach links abwärts zu folgen und jetzt Pilze zu sammeln, was in Graubünden nur in der zweiten Monatshälfte erlaubt ist. Es gibt Steinpilze und Goldröhrlinge in rauen Mengen. Unten im Tal gehen wir nicht der Wegweisung folgend auf den Radweg sondern queren zum Innufer, wo ein Wiesen-Traumpfad, gesäumt von wohlschmeckenden wilden Johnnisbeeren (Ribes alpinum), am Fluss entlang nach Susch führt. Oberhalb des Ortes ein mustergültiger Rastplatz. Hinunter zum alten Ortsteil mit dem Planta-Wohnturm und anderen sehenswerten Gebäuden. Auf Asphalt geht es hinauf zur Prasüra, später auf Schotterwegen hinunter zum Inn, den wir auf einer alten Holzbrücke überqueren. Leider sind es noch einige Höhenmeter durch den Ort hinauf zum Bahnhof Lavin neben der Kirche.

9. Etappe, 16. August: Lavin – Guarda (11 km, 500 Hm)

Auf Fahrwegen wandern wir durch die Wiesen hoch zum lichten Lärchenwald, wo uns ein Steinbock und mehrere Bären aus Holz begrüßen. Der markierte Weg führt weit ins Val Lavinuoz hinein bis zur Alp d’Immez und dann in rund 2200 m Höhe um die Südhänge des Piz Chapisun. Wir Senioren dürfen ein Stockwerk tiefer, dafür blumenreicher wandern: Etwa 2 km ins Val Lavinuoz, dann bei der Alp Dadoura nach rechts und durch den God (=Wald) Lavinuoz auf die Weiden in etwa 1800 m Höhe, wieder mal ein wahres Blumenparadies. Bald kommt Guarda in Sicht, im Hintergrund die wilden Engadiner Dolomiten. Eine Postkarten-Idylle! Hinunter über die Wiesen, dann auf der alten Steinbogenbrücke bei der ehemaligen Mühle über den Clozza-Bach, der aus dem Val Tuoi kommt. Guarda erreichen wir auf Asphaltwegen. Es steht fast ganz unter Denkmalschutz, gilt als eines der schönsten Dörfer der Alpen, macht auf uns aber einen eher musealen Eindruck. Leider erreichen wir Guarda in der einzigen Postauto-Fahrplanlücke mitten am Nachmittag, so dass wir - wenn auch blumenreich - so doch auf einem sehr steilen Pfad zum 300 m tiefer liegenden Bahnhof absteigen.

10. Etappe, 17. August: Guarda – Ardez (15 km, 700 Hm)

Heute fährt uns das kleine Postauto vom Bahnhof hoch nach Guarda, wo wir wieder die prächtigen Engadinerhäuser und Dorfbrunnen bewundern. Heute geht es weit ins Val Tuoi hinein, das vom Piz Buin überragt wird. Bei der Ziegen-Alp Suot verlassen wir den Talboden und gehen über weite Weideflächen und auf Bohlenwegen über dazwischen eingestreute Hochmoore zur Alp Sura, die von Unterallgäuern bewirtschaftet wird und einen schönen Rastplatz bietet. Auf dem Weiterweg werden wir von den vielen Murmeltieren wenig beachtet, eher neugierig beäugt. Über die Murtera Dadoura steigen wir hinunter zur Maiensäss Munt d’Ardez. Die alten Gebäude wurden liebevoll zu Ferienhäusern umgebaut und sind derzeit fast alle von freundlichen, zum Schwatz aufgelegten Schweizerinnen und Schweizern bewohnt. Der Abstieg nach Ardez ist auf dem wenig befahrenen Fahrweg etwas mühsam, aber am Schluss auf dem alten Wiesenweg am Ortsrand botanisch äußerst interessant. Ardez ist so schön wie Guarda, aber viel lebendiger – und der Bahnhof liegt direkt am Ortsrand.

11. Etappe, 18. August: Ardez – Ftan-Prui (15 km, 1000 Hm)

Heute früh nieselt es ein wenig, als wir Ardez verlassen. Aber bald klart es auf, als wir durch Wiesen und lichte Lärchenwälder ins Val Tasna wandern. Bei der Ziegen-Alp Valmala rasten wir zum ersten Mal. Danach über die weiten, von Blumen übersäten Weideflächen zur stark besuchten Alp Laret. Zum ersten Mal nerven uns heute die vielen Mountainbiker, die uns immer wieder erschrecken oder zum Ausweichen zwingen. Dafür erfreuen uns 5 verschiedene Enzianarten und die letzten blühenden Orchideen, z. B. die Wohlriechende Händelwurz mit ihrem Vanilleduft. Mit der Sesselbahn fahren wir von Prui hinunter nach Ftan-Grond, wo schon das Postauto abfahrbereit ist.

12. Etappe, 19. August: Ftan-Prui – Sent (12 km, 200 Hm)

Mit der Sesselbahn wieder hoch nach Prui. Der Kontrast zu den bisher einsamen Unterengadin-Etappen erschlägt uns beinahe: Bespaßung für Jung und Alt, breite, barrierefreie Wege, Mountainbiker, Trottinett-Fahrer, windgeschützte Bänke, Spielplatz, Rätselpfad ... Das steigert sich noch auf dem Weg hinüber nach Motta Naluns, bestens erschlossen durch die Bergbahn von Scuol herauf. Dazu Motorenlärm von Maschinen, mit denen der Skizirkus von Scuol für den nächsten Winter fit gemacht wird. Wir verlassen diesen Zirkus schnell, und gleich umfangen uns wieder Stille, Einsamkeit und Blumen über Blumen. Hoch oben bei Larschs wieder eine Rast in Arkadien, bevor es vorbei am Bio-Bauernhof und Gasthaus Vastur nach Sent hinuntergeht. Ein Dorf mit hoher Wohnqualität: Mehrere gute Bäckereien, ein Metzger, eine richtige Dorfmolkerei, wo Milch, Butter, Käse und Joghurt aus eigener Produktion und von den umliegenden Alpen (=Almen) angeboten wird. Dazu gibt es noch Handwerker, alle notwendigen Dienstleistungen und einen VOLG-Dorfladen.

   

13. Etappe, 20. August: Sent – Tschlin (18,5 km, 670 Hm)

Vom Dorfplatz von Sent aus starten wir Richtung Val Sinestra, begleitet von einem netten Ehepaar aus Chur. Den Fahrweg ins Tal können wir ziemlich am Anfang auf einem parallel verlaufenden Vita-Parcours = Trimm-dich-Pfad vermeiden. Es sind nur wenige Fahrzeuge unterwegs, und auch der Fahrweg bietet mit waghalsigen Brücken, tiefen Schluchten und Erdpyramiden einige Erlebnisse. Das imposante, seit etwa 1970 nicht mehr genutzte Kurhaus Val Sinestra wurde vor bald 20 Jahren von Holländern wieder zum Leben erweckt und heute als einfaches Hotel für Veganer genutzt. Von außen betrachtet macht es auf uns aber einen etwas tristen Eindruck. Die „Heilquellen“ dürfen wegen ihres 300-fach überhöhten Arsengehalts nicht mehr genutzt werden. Über einen schönen, teilweise ausgesetzten, mit Ketten gesicherte Pfad durch den Wald, dann durch Wiesen erreichen wir das kleine Dörflein Vna, einst fast ausgestorben, heute wiederbelebt dank sanftem Tourismus. Der Weiterweg entpuppt sich als Traum-Etappe: Einsamkeit, Stille, Ausblicke, zwei Luxus-Rastplätze, Blumen und Pilze ohne Ende, waghalsige Schluchtquerungen auf schmalen Pfaden und Brücklein. Am dann Ende das Dörflein Tschlin, Musterbeispiel dafür, wie man „am Ende der Welt“ gut leben kann. Ein malerisches Dorf mit intakter Infrastruktur dank der Aktion www.buntschlin.ch, bei der regionale Produkte und Dienstleistungen beworben und vermarktet werden. Immerhin gibt es bei etwa 400 Einwohner zwei Brauereien, die Gerste aus dem Engadin, Hopfen aus der Schweiz und Bergquellwasser aus Tschlin verwenden. Rund 75% der Einwohner sprechen hier im täglichen Leben noch rätoromanisch.

14. Etappe, 21. August: Tschlin – Vinadi (13,5 km, 400 Hm)

Der Weg mit dem Postauto nach Tschlin ist lang und kurvenreich. Dieses kleine Dorf ist schon faszinierend! Und unsere heutige Etappe ebenfalls. Der letzte Mensch, den wir für viele Stunden treffen, ist die Pfarrersfrau, die wir beim Ausfegen der sehenswerten alten Kirche am Ortsausgang überraschen. Danach einsame Fahrwege, dann Wiesen- und Waldwege, schließlich schmale, manchmal kaum zu erkennende Pfade hoch über dem Inntal, das hier sehr eng wird. In Etappenmitte wieder ein Luxus-Rastplatz mit Brunnen, Bänken, Grillstelle und gefülltem kleinen Holzschuppen. Ringsherum wachsen Goldröhrlinge. Immer wieder geht es kettengesichert in tief eingeschnittene Tälchen, über schmale Holzstege, dann wieder durch Lärchenwälder und über Lawinengänge. Einziges Manko ist der allmählich immer lauter werdende Lärm der Reschenpass-Straße am Gegenhang. Dann geht es auch schon viele Höhenmeter abwärts, zunächst auf Pfaden, dann auf Forstwegen und schließlich wenige Hundert Meter auf der Fahrstraße ins Samnaun. Die „Zivilisation“ in Form von lärmenden Motorrädern und Sportwagen hat uns wieder. Leider ist das Gasthaus Vinadi/Weinberg inzwischen geschlossen, und das große Mehrfamilienhaus an der Straße steht zum Verkauf. Welch ein Kontrast zu den florierenden Dörflein, die wir unterwegs erleben durften!

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