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Weihung 1997

Eindrücke einer Fußwanderung von der Quelle zur Mündung

Fotos: Günther Krämer

Mindestens 160000 Menschen werden von der Wasserversorgung der Stadtwerke Ulm mit Trinkwasser versorgt. Im Hauptgebiet der Ulmer Trinkwassergewinnung - der Roten Wand - macht in letzter Zeit wieder ein kleiner Bach von sich reden, die Weihung. Diese gefährdet anscheinend die Wasserreserven der Stadt Ulm. Die Gefahr einer Verschmutzung der Weihung bereitet den Verantwortlichen Sorgen. Im Dreieck zwischen Donau und Iller fließt der Bach kurz vor dem Zusammenfluß der beiden in die Iller. Wäre es da nicht naheliegend, die Weihung einfach umzuleiten und schon früher, also bevor sie das Fassungsgebiet erreicht, in die Iller zu leiten?

Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben sich unsere Mitarbeiter auf den Weg gemacht und sind dem Bachlauf der Weihung in einer zweitägigen Fußwanderung über rund 30 km von der Quelle bis zur Mündung gefolgt. Auf der Suche nach der Quelle entdeckt man den idyllisch bei Schwendi gelegenen Oberbuchhof. In den tertiären Schichten der Oberen Süßwassermolasse entspringt die Weihung mitten in einer Wiese mit weidenden Kühen nahe dem Weiler.

Was so malerisch beginnt, nimmt bald einen ernüchternden weiteren Verlauf. Tief eingegraben, eingezwängt und begradigt fließt der Bach bereits in seinem Quellbereich durch landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen. Darüber hinaus verschwindet er hier in Teilbereichen in einem Betonrohr unter der Erde. Da erscheint der schon nach knapp 2 km auftauchende Golfplatz garnicht mehr als so große ökologische Sünde. Immerhin wurde dort der Bach größtenteils naturnah gestaltet. Allerdings stellt sich die Frage, ob es notwendig war, an einer Stelle den wahrscheinlich chemisch behandelten Grasteppich bis an den Bachlauf zu legen.

Nach dem Golfplatz das gleiche Bild: Überdüngte, artenarme Löwenzahnwiesen und trockengelegte Mais- und Getreideäcker bis an den Bachrand. Zu allem Überfluß münden alle 200 Meter Drainagerohre als einzige Zuflüsse in die Weihung. Der Schaum deutet auf eine Belastung mit Gülle hin, ein Spritzmitteleintrag kann sicher nicht ausgeschlossen werden. Ein mäandrierender Bach mit Ufergehölz und Überschwemmungszonen - Fehlanzeige.

Da ist es kaum noch verwunderlich, daß das erste Dorf, Wain, durch das der Bach fließt, mit diesem ebenso respektlos umgeht. In einer traurigen Betonrinne eingefaßt verläßt die Weihung den Ort. Vorbei an einer großen Weide mit frei galoppierender Schweineherde erreicht der Bachlauf das erste Kleinwasserkraftwerk an einer ehemaligen Mühle. Als "Flurbereinigungsabstandshalter" geht der Weg weiter an Hörenhausen und der schönen Barockkirche Sießen im Wald vorbei nach Weihungszell.

Bei Weihungszell, dem Erreichen der einzigen Kläranlage, mit deren Ablauf die Weihung "gedüngt" wird, begleiten den Bach beständig nach Spritzmitteln "duftende" Äcker. Der Algenbewuchs am Auslauf der Kläranlage beweist die unzureichende Stickstoff- und Phosphorelimination.

Jetzt wird das Tal idyllisch, Wiesen begleiten den Bach und bewaldete Talflanken laden zum Spazierengehen ein. Die ökologische Situation des Baches selber verbessert sich dabei kaum. Denn auch hier entdeckt der Beobachter erst kürzlich verlegte Drainagerohre.

Mit Erreichen der Kreisgrenze zwischen Biberach und dem Alb-Donau-Kreis lösen immer mehr Wiesen die Äcker ab. Auf der Gemarkung Staig sieht man zum erstenmal richtige bachbegleitende Erlen- und Weidengehölze, Sumpfzonen und Feuchtwiesen, die Landwirtschaft hält zum Teil einen breiten Sicherheitsabstand, den sogenannten Gewässerrandstreifen, zum Bach ein.

Eine Obstplantage bei Illerkirchberg mit massivem Herbizideinsatz direkt am Bach verwischt den guten Eindruck.

In diesem Abschnitt gibt es einen beständigen Wechsel zwischen relativ naturnahen, ökologisch sinnvoll genutzten Abschnitten und intensiv bewirtschafteter Feldflur.

In Staig wächst die Neubausiedlung an den Bach heran. In Unterkirchberg begegnet man der einzigen intakten Mühle an der Weihung. Kurz danach erreicht der Bach die Illerauen.

Nur durch das Geröll, das die Iller mit sich führt, wird die Mündung der Weihung einige Kilometer verschleppt. Hier mäandriert der Bach durch das Naherholungsgebiet in der Nähe des Binsenweihers beim Kloster Wiblingen.

Am nordöstlichen Ortsrand von Wiblingen haben die amtlichen Wasserschützer bereits vorgesorgt und eine Absperreinrichtung für den Ernstfall eingerichtet. Danach ist es nicht mehr möglich, dem Bachlauf zu folgen, denn er erreicht das von hohen mit Stacheldraht bewehrten Zäunen umgebene Trinkwasser-Gewinnungsgebiet "Rote Wand".

 Als Wanderer wird man ausgesperrt, aber die autobahnähnlich ausgebaute Bundesstraße 30 darf dieses Auenurwaldgebiet durchkreuzen. Immer am Zaun entlang erreicht man die Weihungsmündung.

Sollte man, was wünschenswert wäre, je an ein Gesamtsanierungskonzept der Weihung denken. müßte der Landkreis Biberach einbezogen werden. Im Mittel- und Oberlauf wurde der Bach tiefergelegt, begradigt und die Aue trockengelegt um intensiven Ackerbau zu ermöglichen. Hatte dies zur Folge, daß die Anliegergemeinden im oberen Weihungstal ihre Eigenwasserversorgung schließen mußten und ihr Wasser von einer überörtlichen Iller-Wasserversorgung beziehen?

Im Unterlauf wurde in früheren Zeiten das Wasser künstlich hochgelegt, um es besser zur Wiesenbewässerung und zur Energiegewinnung nutzen zu können, was für den Wasserhaushalt sicher positiv zu bewerten ist.

Heute hat die Weihung bis Wiblingen - wenige Kilometer vor der Mündung - keine Gelegenheit, sich auf natürliche Weise selbst zu reinigen, im Gegenteil, die ordnungsgemäße intensive Landwirtschaft führt ihr laufend abgeschwemmten Ackerboden, Dünger und Pestizide zu. Die Kläranlage hält die Regeln ein und belastet dennochden Bach. Das Weihungstal ist keine ökologische Einzelkatastrophe, es ist schlicht der Normalfall. Trotzdem istdas Naturerlebnis beeindruckend, und es wäre schade, wenn dem Bach der Mündungsbereich genommen würde.

Thomas Mahr und Günther Krämer

(veröffentlicht in der Schwäbischen Zeitung Ulm)